DeepSkyCamera App: Astrofotografie mit dem Smartphone

Ein Artikel von AG Orion Mitglied Michael Seeboerger-Weichselbaum.

Bei Smartphones denkt man zwar an gute Bilder für den tagtäglichen Gebrauch, aber Astrofotografie? Nebel ? Galaxien? Sternhaufen? Das ist doch eine schwierige Disziplin!

In der Tat scheint alles auf den ersten Blick gegen ein Smartphone zu sprechen: keine Wechselobjektive, keine vernünftige Anbringung am Teleskop, kleine Sensoren (in der Regel haben sie eine Diagonale von maximal 6mm) und ebenso kleine Pixel (oft zwischen 1 und 2 μm) bei 12 bis 50 Megapixel. Und wie ist nur die Linse vor dem Sensor ausgestattet?

Oft sieht es nach Plastik aus und es drängt sich der Vergleich zu den chinesischen Farbwerfern auf. Immerhin werben Huawei bei vielen Modellen mit Leica-Linsen und Nokia mit Zeiss-Glas. Können die Smartphones auch etwas in der Astrofotografie leisten?

Kurz gesagt: ja, und zwar eine ganze Menge, wie die Bilder in diesem Beitrag zeigen. Seit Android 5.0 (eingeführt von Google im Jahr 2014) ist es für uns Astrofotografen besonders interessant:

  • Einfacheres Ansprechen des Kamerasensors über die so genannte Camera2API.
  • Fokus, Belichtungszeit, ISO, Weißabgleich und Farbtemperatur – alles individuell einstellbar, wenn es das Telefon unterstützt.
  • Aufnahmen können im RAW-Format gespeichert werden (viele Modelle unterstützten auch RAW10 und RAW12, dass die jeweilige Bittiefe angibt)

Viele aktuelle Telefone unterstützen diese Funktionen – dazu gehören nicht nur Flagschiffmodelle wie Huawei P 20 Pro und Huawei Mate 20 Pro, sondern auch kleinere Modell wie LG G und V, Huawei P 9/10/20 Lite, OnePlus ab 3, Xiaomi (ab Mi 8 und Pocophone), Honor, Google Pixel, HTC und Sony. Samsung ist hier etwas spezieller, dazu später mehr.

Als ich Anfang 2018 mit der App DeepSkyCamera für Android angefangen hatte, war ich selbst erstaunt, dass es noch keine Astrofotografie-App im Google-Playstore gab. Nach ungefähr einem Monat Entwicklungszeit hatte ich eine erste rudimentäre Fassung der DeepSkyCamera-App fertig gestellt. Im gleichen Monat konnte ich erste Tests durchführen. Und – es haute mich glatt um. Die ersten Ergebnisse waren fantastisch und ich arbeitete weiter an der App. Nach einem Jahr stehen wir bei der Version 1.2.5.

Es geht los…

Wer schon Astrofotografie macht, ist in der App gleich heimisch. In der Oberfläche kann man vor eine Aufnahmeserie das Format wählen (RAW, RAW+JPEG oder nur JPEG) sowie den Aufnahmetyp (Lights, Darks, Bias, Flats). Als nächsten wählt man die Anzahl der Bilder aus (Default ist 100) und die Belichtungszeit. Viele Telefone bieten hier als maximale Belichtungszeit um die 30 sek an. Einige (z.B. die Huawei P Lite) bietet max 8 Sekunden an. Bei Astrofotografie empfiehlt es sich auf die maximale mögliche Belichtungszeit zu gehen und das Maximum auszureizen. Es gibt Telefone, die schaffen sogar 48 Sekunden (OnePlus 5T). Dann wählt man den ISO-Wert aus. Hier haben meine Test ergeben, dass man für die Aufnahmen nicht über ISO 800 gehen sollte – dies liegt hauptsächlich an der Lichtverschmutzung, die sich stark auswirkt, da die Optik des Smartphones immer wie eine Art von Weitwinkel ist und oftmals eine weite Blende besitzt (oft zwsichen 1.5 und 2.5). Das wäre es auch fast – theoretisch könnte man jetzt die Serie mit einem Klick auf „Start“ beginnen. Vorher sollte man noch vier weitere Dinge durchführen:

  • Die aufgenommenen Bilder werden in einem Standardpfad auf dem Telefon gespeichert (Android/data/de.seebi.deepskycamera/files/Pictures).
    Dieser kann im Menü der App „Einstellungen“ geändert werden, z.B. nach DCIM, wo auch die eingebaute Kamera-App die Bilder ablegt.
  • Ebenfalls im Menü „Einstellungen“ kann man ein Verzögerung vor dem ersten Bild einstellen. Dies empfiehlt sich unbedingt, da ansonsten direkt beim Klick auf „Start“ der Aufnahmeprozess beginnt und durch das Anklicken das Telefon verrutschen könnte. Ich stelle hier immer 10 Sekunden Verzögerung ein.
  • Im Menü „Einstellungen“ kann man die App auf einen Nachtmodus umschalten (schwarzer Hintergrund, rote Schrift). Dies ist sehr zu empfehlen, da der Tagmodus sehr grell ist und man dadurch in der Nacht stark geblendet wird.
  • Auf der Startseite kann man die Pause zwischen den Aufnahmen einstellen. Es sollt unbedingt eine Pause eingebaut werden (Default: 5 sek), damit die App genügend Zeit hat, die Daten aus dem Sensor zu lesen und diese als RAW und JPEG zu speichern. Einige Telefone (OnePlus) brauchen eine längere Pause. Ist die Pause zu kurz, werden die Bilddateien nicht geschrieben, da der Sensor schon mit der nächsten Aufnahme beschäftigt ist. Sollten keine Bilder gespeichert worden sein muss man die Pausenzeit einfach verlängern und ausprobieren.
  • Manuell fokussieren. Dies geschieht auf der Startseite der App. Mit den Fingern kann man eine hellen Stern heranzoomen und den Schieberegel auf der linken Seite solange bewegen bis der Fokus passt.

Jetzt kanns losgehen – mit einem Klick auf Start beginnt die Aufnahmeserie. Am unteren Ende der App wird der Status angezeigt und wann die Aufnahmen circa beendet sein werden. Zwischen den einzelnen Aufnahmen gibt es auch ein akustisches Signal, sowie am Ende der Serie (kann man im Einstellungs-Menü auch abstellen).

Darks, Bias, Flats

Der gestandene Astrofotograf braucht natürlich Dark Frames und Bias Frames, um das Rauschen herauszurechnen. Und es werden Flat Frames benötigt, um die Vignettierung ebenfalls herauszurechnen. Die Linsen der Smartphones vignettieren sehr stark, wie die beiden Bilder X und Y zeigen.

Darks werden wie bekannten aufgenommen: gleiche Belichtungszeit und ISO. Ein Smartphone hat keinen Objektivdeckel. Deshalb verpacke ich das Telefon in einer Handytasche und lege es im Keller in einen Koffer. Die App nimmt dann so die Darks auf. Auf der Startseite kann man auch den Aufnahmetyp „Darks“ auswählen – dies ist eigentlich nur für den Dateinamen bestimmt, damit man später die einzelnen Aufnahmen auseinander halten kann.

Die Bias Frames werden nach dem gleichen Muster angefertigt. Für die Flat Frames braucht man eine Flatfieldfolie oder Flatfieldbox. Einfach das Telefon auf die Flatfieldbox legen, als Belichtungszeit „Auto“ auswählen und die gleiche Anzahl an Frames wie die Lights auswählen. Es sieht zwar etwas lustig auf, wenn ein kleines Smartphone auf eine Flatfieldbox liegt, aber es funktioniert!

Auf zum fröhlichen Prozessieren…

Dann geht’s weiter: die RAW-Bilder liegen im so genannten DNG-Format (Digital Negative, von Adobe 1997 spezifiziert) vor, das im Endeffekt ein Unterformat von TIFF ist, ohne die zahllosen Sonderformate von TIFF zu besitzen. Die DNG-Bilder (Lights, Darks, Bias, Flats) werden vom Telefon per USB herunter kopiert. Mit einem klassischen Stacking-Programm (DSS, StarTools, PixInsight) kann man dann die Aufnahmen wie die „normalen“ Bilder aus der Astrocam stacken und anschließend prozessieren (Photoshop, Lightroom,…).

Nach zahllosen Tests scheint der Stacker „Sequator“ vom chinesischen Entwickler Yi-Ruei Wu am Besten geeignet zu sein. Dieser ist nicht nur schnell, sondern kann auch von sich aus die Lichtverschmutzung herausrechnen – alle Fotos hier im Beitrag sind zwar mit verschiedenen Smartphones erstellt worden, aber alle wurden mit Sequator und Photoshop bearbeite.

Auf welchen Smartphones läuft die App?

Die App läuft auf sehr, sehr vielen Telefonen, u.a., auf Huawei, LG, Honor, HTC, OnePlus, Google. Es gibt aber Telefone, auf denen kann die App nicht richtig genutzt werden, weil das Telefon beispielsweise keine manuelle Belichtungszeit unterstützt (z.B. Nokia 1, Nokia 3). Da kann ich zunächst auch als Entwickler nichts mehr machen. Eine Kompatibilitätsliste gibt es hier:

https://www.deepskycamera.de/smartphones.php

Der größte Problemfall ist jedoch Samsung. Die eingebaute Kamera App bietet maximal 10 sec Belichtungszeit an. Leider will Samsung seinen Kamera Sensor Drittentwicklern nicht öffnen – und verbirgt, wie der Zugriff auf den Sensor erfolgt. Die App läuft zwar unter Samsung, aber nur unter S6, S7, S8, Note 5 und ein paar Tablets kann die App die maximale Belichtungszeit von 10 sek anbieten. Mit S9 und Note 9 hat Samsung den Zugriff auf den Kamerasensor erneut verändert – ich konnte dies noch nicht lösen. Ich arbeite hart daran, auch auf S9, Note 9 und S10 die 10 sek Belichtungszeiten anzubieten, kann aber noch nicht sagen, mit welcher Version dies umgesetzt wird. Ähnliches Problem besteht auch auf Nokia 6, 7 und 8, sowie den Asus Zenfones. Im Endeffekt muss die App an alle diese Telefone (und noch weitere) kontinuierlich angepasst werden – es kommen neue Modell heraus, neue Besonderheiten usw. Der Entwickleraufwand ist enorm, aber meiner Meinung nach lohnt es sich.

Wo geht die Reise hin?

Die aktuelle Version 1.2.5 bietet schon fast alles, was der Astrofotograf benötigt. Es wird noch weitere Updates geben. Beispielsweise werden bestimmet Budget-Telefone derzeit nicht unterstützt, da diese oft keine Camera2API und individuelle Einstellungen (ISO, Belichtungszeit) unterstützen. Dazu gehören alle preisgünstigen Telefone, z.B. Nokia 1, Nokia 3, Samsung A3, LG K, Motorola G4, G5. Diese werden ab Version 1.2.6 im begrenzten Maße unterstützt.

Diese Reise führt noch weiter: ich plane eine Pro-Version der App mit weiteren Komfort-Funktionen: Upload der Aufnahmen in die eigene Cloud (Dropbox, Google Drive,…) oder auf den eigenen HTTPS-Webserver, Dithering und Zusammenarbeit mit PHDGuiding, ein eingebaute Zeitraffer-Funktionen, die automatisch Videos erstellt. Eine Starttrails-Funktion steht auf der Feature-Liste, die auch animierbar sein soll. Last but not least eine Fernbedienung: hat man ein zweites Smartphone, kann man über eine spezielle Fernbedienungs-App die DeepSkyCamera App komplett fern bedienen: man kann die App starten und Stoppen, die Bilder ansehen und herunterladen, den Status einsehen, neu fokussieren und und und.

Die Zukunft hat mal wieder begonnen

Abbildungen

Abb. 1: Orion und Stier mit LG G6, 129 Frames a 33sec, ISO 800, Totale Belichtungszeit: 60 min.

Abb. 2: Oberfläche der DeepSkyCamera App im Nachtmodus

Abb. 3: Plejaden, LG G6, Dezember 2018. 120 Frames a 33sec, ISO 800, Totale Belichtungszeit: 60 min.

Abb. 4: Mond mit Sony XZ in Okularprojektion (9mm Okular mit 2x Televue Barlow Am Tak TOA 130), Auto Belichtungszeit + ISO (1/30s, ISO 200)

Abb. 5: Startrails mit Honor 7X. 1300 Bilder, jedes Bild 8 sec und ISO 1600. 20 sec Pause zwischen den Bildern.

Links

DeepSkyCamera app: https://www.deepskycamera.de/

Sequator: https://sites.google.com/site/sequatorglobal/